Sonntag, 12. Oktober 2014

BuchBlogParade Oktobber

Das ich dieses Büchlein lese - mir fehlen noch ein paar Seiten bis zum Ende- hat eine besondere Bewandnis.
Ich kam mit einem Kollegen ins   Gespräch über die allseits präsenten Krähen und Elstern in Berlin und dass sie im Sommer manchmal ganz schön nerven, wenn sie im Innenhof des Hauses in dem ich wohne in aller hergottsfrühe so rum krakelen und schimpfen. Eigentlich finde ich Krähen schön, Elstern sowie so und wenn man Krabbat, aber auch die kleine Dott (siehe Besprechung im Frühjahr) gelesen hat oder auch den Hitchcock Film "Die Vögel" gesehen hat stellt man fest diese Tiere haben etwas mystisches aber auch angsteinflößendes. Ach war nicht auch in dem Buch/Film " Die Wand" eine Krähe?!
Der Kollege erzählte mir dann von dem Buch und brachte es mir einige Tage später mit:

Cord Riechelmann: Krähen  (Ein Portrait)  (Matthes & Seitz Vlg.)

Cord Riechelmann ist selbst in zwei verschiedenen Welten zu Hause, so wie die Krähen, denen er dieses wunderschöne Büchlein widmet. Er ist studierte Biologe und Philosoph, ist also in einer “realen” und einer “geistigen” Welt beheimatet – so wie sein Objekt. Denn die Krähe, das lernen wir, ist nicht nur intelligentes (was Riechelmann mit einigen Beispielen belegt, wobei die Kenntnis darüber eigentlich schon zum Allgemeinwissen gehört) und ganz reales Mitgeschöpf, sie ist auch ein Tier der Mythen, der Sagen, der Götter. Angefangen aus den nordischen Götterwelten mit Wotans Raben bis hin zu den Krähen, die als Totemtiere der indigenen Völker Amerikas hohen Ansehen genossen. In Indien gar gibt es Pflegestationen, Altersheime für kranke, siech gewordene Krähen…
Ihr Status ist unterschiedlich. Raben begleiteten die Raubzüge der Wikinger, sie erfreuten sich am Aas (wie überhaupt im Mittelalter die Krähen zusammen mit Geiern für die hygienische Entsorgung von Aas sorgten, wobei ihnen die Tatsache, daß sie auch die Gehenkten und Gepfählten, die achtlos auf dem Anger dahinrottenden verzehrten, nicht zum Vorteil gereichte), an den Toten der Schlachten (etwas unglücklich die Wortwahl im Text: der “Schlachtvogel” sollte vllt besser der “Schlachtenvogel” heißen…) und wurden bald auch ohne Wikinger dadurch zum Boten der Toten – unterstützt sicherlich durch ihre schwarze Farbe. Im Amerika färbte das enge Verhältnis der Krähen zu Kojoten auf das Ansehen der Vögel ab: waren Kojoten für die Indianer heilige Tiere, verachteten die Weißen sie und daher auch den Raben. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, Krähenfüße für die Fältchen unter den Augen, der eingebildete Rabe aus den Äsopschen Fabel – Beispiele für die negative Konnotation, die mit diesem Vogel im westlichen Kulturkreis im Gegensatz zu vielen Naturvölkern besonders in Asien und Amerika einhergeht.
Aber nicht nur diese philosophischen und auch soziologischen Ausflüge unternimmt Riechelmann, natürlich beschreibt er auch die Krähe, den Raben an sich, sein Aussehen, sein praktisch ubiquitäres Vorkommen, sein Verhalten, seine Eigenschaften. So seltsam es scheint, sieht man die großen Schwärme, offensichtlich macht die intensive Landwirtschaft ihnen Probleme und so wird die Krähe oftmals zum Naturflüchter und siedelt sich in der Stadt an, wobei sie ihr Sozialverhalten an die geänderten Bedingungen anpassen kann – ihre natürliche Intelligenz, ihr Spieltrieb macht ihr dies leicht. Werkzeuggebrauch und -herstellung ist nachgewiesen, auch ein Ich-Bewusstsein scheint vorhanden, das (im Vergleich zum Säugerhirn völlig unterschiedlich strukturierte) Gehirn ist zu außergewöhlichen Gedächtnisleistungen fähig. 30.000 versteckte Samen in 6000 verschiedenen Verstecken. Hochachtung, auch vor dem, der das zählte (und zu einem belastbaren Ergebnis kam)…
Riechelmann ist herumgereist in der Welt, auf der Spur der Krähen. Diese haben 1979 vllt ihren größten Coup geleistet: in der EU trat die Europäische Vogelschutzrichtlinie in Kraft, die ausnahmslos alle Singvögel unter Schutz stellte. Und Krähen sind Singvögel, die größten sogar, aber kaum vorstellbar, daß ihr Schutz in diesem Ausmass beabsichtigt war… seitdem sind zumindest die Auswüchse jagdlicher Nachstellungen abgestellt.. auf der Spur der Krähen: Riechelmann beschreibt diejenigen Arten, die er selbst beobachten konnte auf allen Kontinenten, zwanzig an der Zahl.
“Krähen” ist ein Buch pro Krähe, Riechelmann, der in Berlin wohnt und Krähenbeobachtung vor der Haustür durchführen kann, beschreibt die Vögel mit viel Sympathie. Er versucht, viele Vorurteile, die gegen sie herrschen, auszuräumen oder zumindest zu relativieren, er versucht, Wohlwollen den Tieren gegenüber zu wecken und wartet mit vielen imponierenden Beispielen über ihre Fähigkeiten, ihr Verhalten und ihr Können auf. Und es gelingt ihm – vielleicht nicht gerade überschäumende Sympathie, aber doch vermehrtes Verständnis für die Vögel zu wecken, die uns seit altersher begleiten – im Guten wie im Schlechten.
Das Büchlein selbst (es ist in einer neuen Serie “Naturkunden“, die von Judith Schalansky bei Matthes&Seitz, Berlin, herausgegeben wird, erschienen) ist ein besonderes unter den Büchern, natürlich in Rabenfarbe gehalten, natürlich in schönem Druck auf schönem Papier, mit alten Abbildungen und mit Karten über die Verbreitungsgebiete.

Ich habe es fast in einem Rutsch gelesen (bis auf die letzten paar Seiten und die schaffe ich vielleicht noch heute Abend).
Ich werde mich nicht mehr über sie (Krähen, Elstern) beschweren und werde ihnen morgens weiterhin zusehen wenn sie über den Weg "watscheln", wenn ich  morgens im Tiergarten an ihnen vorbei radle.

Ein schönes und interessantes Büchlein!

BuchblogParade September

Da ich es letzten Monat nicht geschafft habe eine Buchbesprechung hier reinzustellen (ich hatte so wahnsinnig viel zu arbeiten, dann noch Besuch usw. und das Buch war dafür einfach zu dick)
will ich heute dieses für den September noch nachschieben und das für Oktober folgt gleich im nächsten Post!

Siba Shakib: Eskander (Goldmann)

Persien im Jahr 1908. Das Dorf ohne Namen litt unter der Dürre. Die Bewohner starben und glaubten, ihnen sei eine Gottesstrafe auferlegt worden, weil der Bach, der das Dorf mit Wasser versorgte, versiegt war. Als Eskandar, das von den Arbab ( Besitzer von Dörfern,Ländereien und Menschen)Verbotene wagte und über den Berg kletterte, sah er, dass die nach Petroleum suchenden Ausländer sehr wohl Wasser hatten und der Landbesitzer den Bach nur umgeleitet hatte. Nach dem Tod seiner Mutter ging der Junge wiederum über diesen Berg. Dort lernte er den kanadischen Ingenieur Richard kennen, der Eskandar in seine Obhut nahm. So lernte er die Kultur und die Sprache der Ausländer kennen. Richard schickte den Jungen nach kurzer Zeit zur Familie seiner Geliebten, die ein Kind von ihm erwartete. Dort hatte er die Möglichkeit ein Minimum an Bildung in der örtlichen Koranschule zu erlangen. In der Schule wurde das Talent des Jungen, Geschichten zu erzählen, schnell erkannt und so wurde er als Motivationshilfe beim nationalistischen Sturm auf Teheran eingesetzt. Für kurze Zeit kehrte Eskandar danach ins Camp der Ausländer zurück. So war er als Richards Boy dabei als das erste Erdöl im Iran gefunden und die Anglo-Persische-Oil-Company gegründet wurde. Aber eines Tages verkaufte Richard den Jungen an den Khan.
Siba Shakib erzählt um den Protagonisten Eskandar die interessante Geschichte Persiens von 1908 bis ins Jahr 2002. Mit Eskandar lässt sie den Leser die verschiedenen Abschnitte persischer Geschichte durchleben, er ist mittendrin, immer am Puls der Zeit.

Die Autorin führt die Hauptperson als Geschichtenerzähler in den Roman ein, im Verlaufe der Handlung erlebte ich Eskandar allerdings fast ausschließlich als Geschichten“erleber“.
Die Sprache des Buches hat mir sehr gut gefallen. Die arabischen Einflüsse waren deutlich spürbar, trotzdem wirkte der Roman nicht zu blumig.
Es ist der Autorin auch sehr gut gelungen, zu verdeutlichen, dass aus dem Kind Eskandar langsam ein Erwachsener wird. Spricht Eskandar zu Beginn des Romans in kindlich kurzen Sätzen, änderte sich dies mit der Zeit.
Das im Buch enthaltene Glossar erleichtert es dem Lesern die unbekannten arabischen Begriffe zu verstehen.
Die ersten Jahre werden sehr ausführlich beschrieben und je mehr sich die Autorin der Gegenwart nähert, desto schneller und kürzer werden die Berichte darüber, so, dass die letzten 20 Jahre auf weniger als einhundert Seiten abgehandelt werden, das finde ich etwas verwunderlich.
Die ersten einhundert Seiten des Buches habe ich mit sehr viel Freude gelesen, danach fühlte es sich etwas zäher an, was aber auch daran liegen kann, dass ich immer wieder lange Unterbrechungen hatte.

In diesem Buch lernt man viel über den Iran und die Lebensweise in diesem uns so fremden Land.
Das Buch ermöglicht einen Blick hinter die Schlagzeilen der westlichen Pressemeldungen, die unseren Blick auf Länder wie den Iran prägen. Ich hoffe, dass das Buch viele Leser findet, die dadurch ihren Schwarz-Weiß-Blick auf die Welt ein bischen ändern.

Ich kann es sehr empfehlen.