Josef Kaplan wird 1910 in Prag als Kind eines jüdischen Arztes
geboren. Er wächst heran zu einem jungen Mann mit einer Leidenschaft für
Marxismus und Medizin, Tango und Frauen. Der junge Mann wirkt in seiner Darstellung fast beziehungsunfähig und er kann sich offenbar keine Gesichter merken, sprich er vergisst Bekanntschaften sofort wieder.
Aufgrund seiner politischen Aktivitäten und der politischen Stimmung schickt ihn sein Vater nach Paris um dort weiter zu studieren und ihm seinen Wunsch zum Forschen zu erfüllen.
Die Entwicklungen der 1930er
Jahre und ein attraktives Arbeitsangebot veranlassen ihn, Frankreich in
Richtung Algerien zu verlassen.
Das Leben in Algier der damaligen Zeit wird gut beschrieben.Dann muss er viele Jahre in einer malariaverseuchten Gegend forschen und überleben, in die ihn sein Chef geschickt hat um ihn vor einem Internierungslager zu bewahren.
Nach dem Krieg zieht er mit seiner spät entdeckten großen Liebe, der französischen Schauspielerin Christine, in die CSSR,
wird kommunistischer Abgeordneter und droht ein Opfer des antijüdischen
Slansky-Prozesses zu werden, des größten Schauprozesses der
Tschechoslowakei, in dem unter dem Vorwand einer zionistischen
Verschwörung gegen unliebsame Parteigenossen vorgegangen wurde.Es ist sehr bedrückend quasi mit zu erleben, wie die enthusiastischen Ideale von den entsprechenden Machthabern ad absurdum geführt werden und dass nach Allem was im Nazi-Reich passiert ist, die Menschen erst wieder viel zu spät merken, dass alles wieder geschieht,nur unter einem anderen politischen Deckmantel.
Josef und Christine bekommen zwei Kinder, Helena und Martin. Die
Mutter reist 1956 mit dem Sohn nach Frankreich und kehrt nicht wieder
zurück. Josef erlebt den Prager Frühling und entzieht sich der
Geheimpolizei, er arbeitet als angesehener Arzt in einer Lungenklinik in
Kamenice. Dort wird im März 1966 Ramón Benitez Fernandez zur Behandlung
eingeliefert, ein Gast der Regierung, erkrankt an Malaria und Ruhr, in
Begleitung eines Offiziers der Inneren Sicherheit. So lernt Josef Che
Guevara kennen, der sich in Helena verliebt und umgekehrt. Aber die Ausreise von Helena gelingt nicht, dank eines perviden Plans des Geheimdienstes.
Erst nach dem Fall der Mauer erfährt Helena wer da seine Finger mit im Spiel hatte.
Eine wichtige Konstante ist Kaplans Plattensammlung mit Tangomusik von
Carlos Gardel, die alle gesellschaftlichen und politischen Irrungen und
Wirrungen unbeschadet übersteht. Während Josef Kaplan der zentrale
Charakter ist, sind die beiden Hauptteile des Romans überschrieben mit
den Namen seiner Frau Christine und seiner Tochter Helena.
In Guenassias Roman, in dem die Liebe bereits im deutschen Titel
anklingt, spielt die vielfältig konzipierte Liebe eine Hauptrolle. Man
liebt sein Vaterland, dessen Institutionen und ihre
menschlich-unmenschlichen Vertreter diese Liebe zum Problem werden
lassen, sie ohne Begründung und aus niederen Motiven in Frage stellen.
Man liebt die Revolution, die Macht, die Partei. Manchmal liebt man auch
einen anderen Menschen. Josef liebt die Frauen als ihn anregende
Erscheinungen, er liebt seine Frau, seine Kinder. Und immer ist es eine
andere Form von Liebe.
Ein toll geschriebenes Buch, die verschiedenen Charaktere und die gesellschaftlichen Gegebenheiten an den unterschiedlichen Orten sind sehr facettenreich und liebevoll beschrieben. Es gibt immer wieder neue Wendungen was den Spannungsbogen hält.
Ich kann es nur empfehlen!
Sonntag, 7. Februar 2016
Buchbesprechung: Charlotte Roth- Als der Himmel uns gehörte (Knaur)
Ein Roman mit zwei Erzählsträngen, eine Familiengeschichte.
Berlin, wenige Jahre vor Hitlers Machtergreifung. Für die junge Alberta gibt es einen großen Traum- inspiriert von ihrem sportbegeisterten Vater (Sportreporter) hofft sie nicht nur, die olympischen Spiele zu sehen, sondern auch, als Bogenschützin an ihnen teilnehmen zu dürfen. Für Männer ist in Albertas Kopf kein Platz. Doch als sie die Chance erhält, die olympischen Spiele in Los Angeles zu sehen, macht sie die Bekanntschaft zweier Männer, die ihr Leben nachhaltig beeinflussen werden. Und über allem schweben, zu erst nur als dunkle Wolken, die Vorboten des Naziregimes.
Im England der Gegenwart träumt die junge Jennifer davon, als Läuferin bei den olympischen Spielen teilzunehmen. Doch unter Panikattacken leidend, ist ihr Traum gefährdet. Kann ihr Ihre Urgroßmutter helfen? ...
Es ist eine Geschichte um Liebe und Begeisterung für Sport, eine Liebeserklärung an die olympische Idee und die Gründung der Paralympics. Es ist aber auch gleichzeitig eine Geschichte darüber, wie dieser Gedanke und die Menschen, die ihn anstreben, ausgebeutet werden - und das ist heute leider noch so aktuell wie damals. Es ist eine Geschichte darüber, in welchen entsetzlichen Situationen ein menschenverachtendes Regime die Menschen zwingen kann und wie sie damit umgehen.
Alle Protagonisten haben ihre Fehler, treffen falsche und richtige Entscheidungen - sie sind dem Leser menschlich sehr nahe. Das hat einen ganz besonderen Effekt: so unterschiedlich sich die Menschen verhalten, so verkehrt uns ihre Entscheidungen im Nachhinein erscheinen mögen: sie sind alle nachvollziehbar.
Spannend die Einarbeitung des historischen Hintergrunds. Ich habe mich schon häufig und intensiv mit dieser dunklen Epoche befasst. Selten habe ich diese Zeit so nachfühlen können wie hier, selten haben mir diese Szenen solche Gänsehaut verursacht, selten haben sie solche Beklemmung ausgelöst. Die Zeit wird realistisch, greifbar - es stellen sich dem Leser quasi mit den Protagonisten die Nackenhaare auf. Und auch der Blick auf die unpolitischen Menschen, die erst nach und nach erkennen, welches Unglück sie erfasst hat, hinterlässt tiefen Eindruck beim Leser.
Immer wieder fragte ich mich seit meiner Jugend, wie all das passieren konnte. Eine richtige Antwort darauf wird es nicht geben, und wenn es sie gibt, wird man sie nie erfahren. "Als der Himmel uns gehörte" gibt jedenfalls mögliche Antworten, wie aus unpolitischen Menschen jene Menschen wurden, die das System geduldet, unterstützt oder sich von ihm haben manipulieren lassen. Dieses Erkennen tut weh und wühlt einen auf - aber das soll es auch. Denn nur, wenn es weh tut, vergessen wir nicht.
Erschreckend wie bestimmt Sittuationen einen die Luft anhalten lassen, wenn man so sieht was sich gerade politisch in diesem Land abspielt!
Mir hat das Buch jedenfalls sehr gut gefallen und ich werde auf jeden Fall auch noch "als wir unsterblich waren" lesen.
Berlin, wenige Jahre vor Hitlers Machtergreifung. Für die junge Alberta gibt es einen großen Traum- inspiriert von ihrem sportbegeisterten Vater (Sportreporter) hofft sie nicht nur, die olympischen Spiele zu sehen, sondern auch, als Bogenschützin an ihnen teilnehmen zu dürfen. Für Männer ist in Albertas Kopf kein Platz. Doch als sie die Chance erhält, die olympischen Spiele in Los Angeles zu sehen, macht sie die Bekanntschaft zweier Männer, die ihr Leben nachhaltig beeinflussen werden. Und über allem schweben, zu erst nur als dunkle Wolken, die Vorboten des Naziregimes.
Im England der Gegenwart träumt die junge Jennifer davon, als Läuferin bei den olympischen Spielen teilzunehmen. Doch unter Panikattacken leidend, ist ihr Traum gefährdet. Kann ihr Ihre Urgroßmutter helfen? ...
Es ist eine Geschichte um Liebe und Begeisterung für Sport, eine Liebeserklärung an die olympische Idee und die Gründung der Paralympics. Es ist aber auch gleichzeitig eine Geschichte darüber, wie dieser Gedanke und die Menschen, die ihn anstreben, ausgebeutet werden - und das ist heute leider noch so aktuell wie damals. Es ist eine Geschichte darüber, in welchen entsetzlichen Situationen ein menschenverachtendes Regime die Menschen zwingen kann und wie sie damit umgehen.
Alle Protagonisten haben ihre Fehler, treffen falsche und richtige Entscheidungen - sie sind dem Leser menschlich sehr nahe. Das hat einen ganz besonderen Effekt: so unterschiedlich sich die Menschen verhalten, so verkehrt uns ihre Entscheidungen im Nachhinein erscheinen mögen: sie sind alle nachvollziehbar.
Spannend die Einarbeitung des historischen Hintergrunds. Ich habe mich schon häufig und intensiv mit dieser dunklen Epoche befasst. Selten habe ich diese Zeit so nachfühlen können wie hier, selten haben mir diese Szenen solche Gänsehaut verursacht, selten haben sie solche Beklemmung ausgelöst. Die Zeit wird realistisch, greifbar - es stellen sich dem Leser quasi mit den Protagonisten die Nackenhaare auf. Und auch der Blick auf die unpolitischen Menschen, die erst nach und nach erkennen, welches Unglück sie erfasst hat, hinterlässt tiefen Eindruck beim Leser.
Immer wieder fragte ich mich seit meiner Jugend, wie all das passieren konnte. Eine richtige Antwort darauf wird es nicht geben, und wenn es sie gibt, wird man sie nie erfahren. "Als der Himmel uns gehörte" gibt jedenfalls mögliche Antworten, wie aus unpolitischen Menschen jene Menschen wurden, die das System geduldet, unterstützt oder sich von ihm haben manipulieren lassen. Dieses Erkennen tut weh und wühlt einen auf - aber das soll es auch. Denn nur, wenn es weh tut, vergessen wir nicht.
Erschreckend wie bestimmt Sittuationen einen die Luft anhalten lassen, wenn man so sieht was sich gerade politisch in diesem Land abspielt!
Mir hat das Buch jedenfalls sehr gut gefallen und ich werde auf jeden Fall auch noch "als wir unsterblich waren" lesen.
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