Sonntag, 7. Februar 2016

Buchbesprechung: Jean-Michel Guenassia- Eine Lieb in Prag

Josef Kaplan wird 1910 in Prag als Kind eines jüdischen Arztes geboren. Er wächst heran zu einem jungen Mann mit einer Leidenschaft für Marxismus und Medizin, Tango und Frauen. Der junge Mann wirkt in seiner Darstellung fast beziehungsunfähig und er kann sich offenbar keine Gesichter merken, sprich er vergisst Bekanntschaften sofort wieder.
Aufgrund seiner politischen Aktivitäten und der politischen Stimmung schickt ihn sein Vater nach Paris um dort weiter zu studieren und ihm seinen Wunsch zum Forschen zu erfüllen.

Die Entwicklungen der 1930er Jahre und ein attraktives Arbeitsangebot veranlassen ihn, Frankreich in Richtung Algerien zu verlassen.
Das Leben in Algier der damaligen Zeit wird gut beschrieben.Dann muss er viele Jahre in einer malariaverseuchten Gegend forschen und überleben, in die ihn sein Chef geschickt hat um ihn vor einem Internierungslager zu bewahren.
Nach dem Krieg zieht er mit seiner spät entdeckten großen Liebe, der französischen Schauspielerin Christine, in die CSSR, wird kommunistischer Abgeordneter und droht ein Opfer des antijüdischen Slansky-Prozesses zu werden, des größten Schauprozesses der Tschechoslowakei, in dem unter dem Vorwand einer zionistischen Verschwörung gegen unliebsame Parteigenossen vorgegangen wurde.Es ist sehr bedrückend quasi mit zu erleben, wie die enthusiastischen Ideale von den entsprechenden Machthabern ad absurdum geführt werden und dass nach Allem was im Nazi-Reich passiert ist, die Menschen erst wieder viel zu spät merken, dass alles wieder geschieht,nur unter einem anderen politischen Deckmantel.
Josef und Christine bekommen zwei Kinder, Helena und Martin. Die Mutter reist 1956 mit dem Sohn nach Frankreich und kehrt nicht wieder zurück. Josef erlebt den Prager Frühling und entzieht sich der Geheimpolizei, er arbeitet als angesehener Arzt in einer Lungenklinik in Kamenice. Dort wird im März 1966 Ramón Benitez Fernandez zur Behandlung eingeliefert, ein Gast der Regierung, erkrankt an Malaria und Ruhr, in Begleitung eines Offiziers der Inneren Sicherheit. So lernt Josef Che Guevara kennen, der sich in Helena verliebt und umgekehrt. Aber die Ausreise von Helena gelingt nicht, dank eines perviden Plans des Geheimdienstes.
Erst nach dem Fall der Mauer erfährt Helena wer da seine Finger mit im Spiel hatte.

Eine wichtige Konstante ist Kaplans Plattensammlung mit Tangomusik von Carlos Gardel, die alle gesellschaftlichen und politischen Irrungen und Wirrungen unbeschadet übersteht. Während Josef Kaplan der zentrale Charakter ist, sind die beiden Hauptteile des Romans überschrieben mit den Namen seiner Frau Christine und seiner Tochter Helena.

 In Guenassias Roman, in dem die Liebe bereits im deutschen Titel anklingt, spielt die vielfältig konzipierte Liebe eine Hauptrolle. Man liebt sein Vaterland, dessen Institutionen und ihre menschlich-unmenschlichen Vertreter diese Liebe zum Problem werden lassen, sie ohne Begründung und aus niederen Motiven in Frage stellen. Man liebt die Revolution, die Macht, die Partei. Manchmal liebt man auch einen anderen Menschen. Josef liebt die Frauen als ihn anregende Erscheinungen, er liebt seine Frau, seine Kinder. Und immer ist es eine andere Form von Liebe.

Ein toll geschriebenes Buch, die verschiedenen Charaktere und die gesellschaftlichen Gegebenheiten an den unterschiedlichen Orten sind sehr facettenreich und liebevoll beschrieben. Es gibt immer wieder neue Wendungen was den Spannungsbogen hält.

Ich kann es nur empfehlen!

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